Thomas Leon Heck

Ich habe jüngst einige hundert bücher aus der bibliothek von inge und walter jens erhalten.

es sind sehr viele beleghecksemplare darunter, also von den beiden selbst verfasste theckste. sie sind meist ungelesen und neuwertig. wenn man das publizieren für die zentrale tätigkeit von gelehrten hält, habe ich das herzstück der jensschen bibliothek erhalten.
Das auszeichnen der gelesenen bücher (1 auffallend hoher anteil) war für mich sehr spannend.
walter jens ging als minderjähriger noch sehr sorgsam mit seinen büchern um, später riss er seiten heraus und zersudelte er sie derart, dass ich sie wegwerfen würde, wenn ich nicht die anmerkungen und anstreichungen gerade in seinem fall für bemerkenswert hielte. bemerkenswert oft finde ich z.b. zahlenadditionen: wenn das (z.t. 6stellige) einnahmen sind, muss das klischee vom armen gelehrten überdacht werden.
Als er im „August 1942“ 19jährig schopenhauers „Über die Weiber“ las, hat er leider nur wenige lesespuren hinterlassen. Diese zeigen aber schon ganz den kommenden großkritiker: „Ganz köstlich“, „Toll!“, „Nicht schlecht charakterisiert!“ findet der jungspund gedanken des philosophen.
die autor*innen stehen oft links. ernst jünger dagegen hat er nach wenigen seiten abgebrochen. ähnlich erging es inge jens mit monika maron.
in den von w. jens zuletzt gelesenen büchern meine ich anzeichen seiner langjährigen demenz zu erkennen.
zum regelmäßig rätselhaftesten für mich gehört, wenn ich in nachgelassenen bibliotheken bücher mit widmungen (der verstorbenen vorbesitzer) finde, die offenbar nie abgegeben wurden. ist der empfänger des widmungshecksemplars vor übergabe verstorben? gab es davor krach? kamen die bücher aus dem nachlass der empfänger zurück? von w. jens hab ich 2 von der sorte, die er immerhin als handhecksemplare für notizen weiterverwendete.
ich fand auch 1 buch mit widmung eines kunden von mir. wie ich ihn kenne, wäre er nicht erfreut zu hören, dass sein buch nie gelesen wurde.
zu den aufschlussreichen beilagen: 1982 hatte sich w. jens kritisch über die leistungen der dt. fußballnationalmannschaft geäußert und erhielt daraufhin 1 bösen brief aus heilbronn, in dem er aufgefordert wurde, das land zu verlassen.
ich komme zu "frau walter jens": 2 lesezeichen in form von verpackungsblättchen für lübecker marzipan und mon chéri schreibe ich eher ihr zu als ihm.
beide sind nicht so peinlich wie ich, dass sie sich selbst in irgendwelchen registern angestrichen hätten.
Zum ichbezüglichen: in 1 tübinger ringvorlesung „Erlebte Geschichte“ habe ich nur zu dreien der 13 verfasser*innen (u.a. das ehepaar jens) keine persönl. Beziehung.
walter jens' literarisches erstlingswerk ist dabei, das er für mich vor etwa 40 jahren nachsignierte und das mir evtl ghecklaut wurde.
in dem buch "Leporello fällt aus der Rolle" sind beiträge von 3 autoren (w. jens, otto f. best, peter härtling), über deren beziehung zu mir weiteres via suchmaschine oben rechts auf meiner website zu finden ist.
in dem buch "Meine Lehrjahre: Prominente plaudern aus der Schule" sind beiträge von mind. 3 kunden von mir, zu 4 weiteren (z.b. w. jens) ist das verhältnis nicht in 1 wort zu fassen.
in 1 brief an die jensens wird bernh. kytzler erwähnt, der mal mich im mitteilungsblatt des dt. altphilologenverbands als "wohl jüngsten Vortragenden" eines internationalen latinistenkongresses vorgestellt hat.

fazit: nachdem ich mit dem größten interesse die vielen bücher aus der bibliothek von walter jens ausgezeichnet habe, las ich 1 theckst von ihm, bei dem sich mir das bild einer gigantischen dreschmaschine aufdrängte: vorne verschlingt er unmengen von büchern, innen verarbeitet er sie auf unsichtbare weise, und hinten kommen geballte phrasen heraus.

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